Brandbekämpfung und Brandverhütung an Bord der ISS
In Science-Fiction Serien wie „Star Trek“ klingt die Brandbekämpfung an Bord von Raumschiffen immer leicht und unkompliziert: Bricht ein Feuer aus, aktiviert sich automatisch ein Eindämmungsfeld und erstickt den Brand. Nun ja, die Welt von „Star Trek“ liegt in einer fernen Zukunft, sodass die irdisch-gegenwartsbezogene Frage nach dem Verhalten von Feuer in der Schwerelosigkeit (oder Mikrogravitation) und den zu ergreifenden Löschmaßnahmen durchaus berechtigt ist. Immerhin gab es mindestens einen kritischen Brand im Orbit: Am 24. Februar 1997 brannte an Bord der ehemaligen russischen Raumstation MIR 14 Minuten lang eine Sauerstoffkerze.
Mit der ISS (International Space Station) existiert nur ein bemannter Außenposten der Menschheit im All und die Frage nach einem funktionierenden Brandschutz(konzept) ist für die Crew überlebenswichtig. Im Gegensatz zur Erdoberfläche kann ein Astronaut nämlich nicht einfach vor die Türe treten, wenn es brennt, sprich, seine Flucht- und Überlebensmöglichkeiten sind begrenzt. Ferner verhält sich ein Feuer im All anders und die Verbrennungsprodukte, Wärme und toxischer Rauch, verflüchtigen sich aufgrund der Schwerelosigkeit ebenfalls nicht so einfach wie unter freiem Himmel.
Ein echter Astronaut erklärt den Brandschutz
Die Frage nach dem Brandschutz im All ist, zugegeben, etwas fern ab den Themen, mit denen wir uns normalerweise in Feuerwehrdeutschland auseinandersetzen. Aber die Erörterung dieses Gegenstandes hat für mich einen bestimmten Grund: Vergangenes Wochenende durfte ich mich glücklich schätzen, an einem Meet & Greet mit dem ehemaligen kanadischen Astronauten Chris Hadfield teilzuhaben (das war der Astronaut, der „Space Oddity“ im All gesungen und mit einigen ehemaligen „Star Trek“ Schauspielern Tweets ausgetauscht hat).
Natürlich standen andere Themen im Vordergrund, aber die Frage nach dem Brandschutz auf der ISS funkte während der Diskussion auf. Obwohl ich eine entsprechende Frage vorbereitet hatte, stellte ein anderer Gewinner – wie sich dann herausstellte, ist dieser ein Berufsfeuerwehrmann – die Frage. Hadfield erklärte uns in kurzen Worten die Unterschiede zwischen dem russischen und dem amerikanischen ISS-Modul, die auch zu unterschiedlichen Löschkonzepten führten, ging dabei aber auch auf den MIR-Brand und die daraus erarbeiteten Konsequenzen ein.
Ich nahm seine Aussagen als Grundlage einer „kurzen“ Recherche, deren Ergebnis ich im Folgenden zusammenfasse:
Feuer und Flamme in der Schwerelosigkeit
Während auf der Erde die Schwerkraft die Form und das Verhalten der Flamme bestimmt, steht man mit der Erforschung des Feuers in der Schwerelosigkeit noch relativ am Anfang1. In diesem Kontext spielt das Thema Konvektion eine sehr große Rolle für Feuer und Brandbekämpfung.
Die schwerkraftbedingte Konvektion bewirkt, dass wegen der Dichteunterschiede warme Luft und Ruß nach oben steigen (weil leichter), während die Flamme von unten frische Luft nachsaugt, die kälter und damit schwerer ist. Diesen Vorgang nennen wir Kamineffekt. In der Schwerelosigkeit gibt es hingegen weder oben noch unten und folglich keinen Kamineffekt, da die unterschiedliche Dichte von warmer wie leichter Luft wegen der fehlenden Gravitation und damit den fehlenden konvektiven Strömen obsolet ist.
Das bedeutet, dass z.B. eine Kerzenflamme nicht länglich, sondern kugelförmig erscheint. Insgesamt ist die Flamme kleiner, das Feuer brennt langsamer2, was eine Entdeckung natürlich erschwert und entwickelt höhere Temperaturen als ein vergleichbares Feuer auf der Erde, weil die Wärme durch die Konvektion nicht abgeführt wird. Der für die Verbrennung notwendige Sauerstoff kann nur durch Diffusion oder Luftströmungen zur Flamme gelangen. Auch die Form und Farbe ist eine andere: Sie ist sphärisch, rußfrei und blau, manchmal sogar nicht sichtbar.
Hohe Brandgefahren
Aufgrund der hohen Sauerstoffkonzentration (30 Volumenprozent) besteht auf der ISS jedoch eine große Brandgefahr.3 Z.B. stellen erhitzte Motoren eine enorme Gefahr dar, da die Wärme nicht durch natürliche Konvektion abgeführt wird. Bestimmte Stoffe sind bei schwachen Luftströmungen in der Schwerelosigkeit sogar leichter brennbar.4
Löschen mit Schaum und Kohlenstoffdioxid
Auf der Erde ist Wasser das Löschmittel der Wahl, auf der ISS ist ein spezieller Wasser-Schaum-Feuerlöscher nur im russischen Modul erlaubt, in der amerikanischen Sektion erstickt man mögliche Flammen mit Kohlenstoffdioxid. Laut Chris Hadfield sind die unterschiedlichen Versorgungsspannungen der Grund für die unterschiedlichen Löschmittelkonzepte. Das amerikanische Modul arbeitet mit 124 V, während sich das russische mit 28 V begnügt.
Dabei ist das Feuer selbst nicht einmal das größte Problem, sondern der Rauch – einfach vor die Türe gehen ist nicht, im Vakuum lässt es sich nämlich schlecht atmen. Luftanhalten führt nicht zum Ziel und auch sonst wird es nach einer knappen Minute körperlich etwas ungemütlich. Deshalb hat jeder Astronaut eine eigene Gasmaske. Glücklicherweise gab es auf der ISS noch keine Brände – außer im Experiment natürlich5.
Auf den ehemaligen amerikanischen Space Shuttles kam als Löschmittel Halon 1301 zum Einsatz, weil dieses als Löschmittel aber inkompatibel mit dem „Environmental Controls and Life Support System“ (ECLSS) der ISS war und zudem toxische, korrosive Produkte bildet6, entschied man sich für Kohlenstoffdioxid, weil dieses, wie das von Menschen ausgeatmete Kohlenstoffdioxid, durch das ECLSS leicht entfernt wird.
Löschen unter Schwerelosigkeit
Allerdings sind sowohl Schaum-Wasser-Gemisch wie Kohlenstoffdioxid problematische oder ineffiziente Löschmittel7 unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit. Die Reste des Schaums müssen aufwendig entfernt werden, während Kohlenstoffdioxid zwar Vorteile hat, jedoch in hoher Konzentration (50% des Raumvolumens) zuzuführen ist, um den Sauerstoff zu verdrängen. Zudem darf das Kohlenstoffdioxid nicht zu schnell entweichen, damit der Kohlenstoffdioxidstrom konstant bleibt und seine Sauerstoffverdrängung nicht zu schnell zum Stillstand kommt8. Verliert das Kohlenstoffdioxid seine Strombewegung, verlischt die Löschwirkung, da sich die Gasmoleküle wegen der fehlenden Gravitation anders verhalten. Eine Dekompression des betroffenen Moduls („Löschen mit Vakuum“) wäre zwar auch möglich, doch könnte sich das Feuer durch den starken Luftsog extrem anfachen und einen größeren Schaden anrichten, bevor es verlischt.
Rauchmelder = Lebensretter
Um ein Feuer schnell detektieren zu können, verfügt die ISS im amerikanischen Teil über fotoelektrische Rauchdetektoren und im russischen Teil über Ionisationsrauchmelder9 im Ventilationssystem. Dies ist deshalb so, weil es kein oben und unten gibt und sich wegen der fehlenden natürlichen Konvektion Rauch in die Richtung der Belüftung ausbreiten wird. Trotzdem bleiben Nasen und Augen der Astronauten die wichtigsten Erkennungsmittel10.
In case of fire: Der Notfallplan
Ein dreistufiger Notfallplan sieht im Falle eines Feuers das sofortige Abschalten der Lüftung, Abschalten der Stromversorgung des betreffenden Moduls und schließlich Löschen des Feuers mit dem Kohlendioxidfeuerlöscher. Nach spätestens einer Minute soll der Brand gelöscht sein.
Die erste Brandbekämpfungsmaßnahme ist das Vermindern von Luftströmungen, indem man sämtliche Ventilationssysteme abschaltet. Versuche mit brennenden Kerzen zeigten, dass diese von selbst erloschen, wenn es keinen Luftstrom gab.11
Vorbeugung ist der beste Schutz
Das Sicherste ist es jedoch, einen Brand gar nicht erst entstehen zu lassen, weshalb alle Materialien flammenhemmend oder schwer entflammbar sein sollten, und vor ihrem Transport ins All einem Test unterzogen werden. Zusätzlich konzentriert sich die NASA auf die Vermeidung zündbarer Quellen. Das Thema Brandschutz stand zu Beginn des Wettlaufs ins All nicht auf der Agenda. Erst nachdem am 27. Januar 1967 bei einem Test auf der Erde drei Astronauten in ihrer Apollokapsel verbrannten, nahm sich die NASA des Themas und entwickelte ein Testverfahren (Limiting Oxygen Index Test, LOI) zur Ermittlung der Entflammbarkeit, der inzwischen auch in anderen industriellen Bereichen Anwendung findet.
Extrapolierte Verfahren durch Forschung untermauern
Aber Brandverhütung, Branderkennung und Feuerunterdrückungstechniken und Standards sind normalerweise angepasste und extrapolierte Verfahren aus der Luftfahrt. Sie basieren nicht – glücklicherweise – auf Vorkommnissen im All. Aus diesem Grund hat das Thema Feuer im All eine große Priorität. 2012 kündigte ein internationales Team an, an Bord eines zur Erde zurückkehrenden ATVs ein Feuer zu entfachen und gängige Brandschutzkonzepte überprüfen zu wollen. Fakt ist, wenn die Menschheit zum Mond oder Mars oder sogar noch weiter vordringen will, benötigt man gesicherte Kenntnisse über Feuer und Brandbekämpfungsmethoden12 im All.
Literatur
- Elizabeth Howell: Fire! How the Mir Incident Changed Space Station Safety (Link)
- Eric Niiler: How to Put Out a Fire In Space (Link)
- F. Takahashi, G.T. Linteris, V. R. Katta: Physical and chemical aspects of fire suppression in extraterrestrial environments (Link)
- Fire Burns Differently in Space, Space Station Experiment Shows (Link)
- Gary A. Ruff: Microgravity research in spacecraft fire safety (Link)
- Howard D. Ross: Feuer im freien Fall. In: Spektrum der Wissenschaft 1998, Nr. 7, S. 35.
- Michelle M. Collins: Fire Protection in Manned Missions current and planned (Link)
- NASA: Fire Prevention in Space (Link)
- ORF: Wie Flammen in der Schwerelosigkeit brennen (Link)
- Peter Frey: Schall gegen Weltraumbrände. In: Welt.de (Link)
- Robert Friedman: Fire Safety in the Low-Gravity Spacecraft Environment (Link)
- Robert Friedmann: Fire Safety in extraterrestrial environments (Link)
- Werner Pluta: Zündeln auf der Internationalen Raumstation (Link)
- ZARM Fallturm-Betriebsgesellschaft mbH: Feuer im Weltraum (Link)
Fußnoten
12 So forscht man bspw. mit Schall als Löschmittel: http://www.welt.de/print-welt/article185288/Schall-gegen-Weltraumbraende.html